Wir sind nun sechs Monate in Spanien. Wir fühlen uns sehr wohl hier und wollen bleiben, aber d.h. meine Lebenspartnerin und ich, wir müssen beide arbeiten in Spanien. Da meine Ausbildung in Spanien nicht von nutzen ist, behelfe ich mir mit Kenntnissen mit denen ich mein Studium finanziert habe. Ich programmiere Software und Webseiten, d.h. ich für meinen Teil habe mich selbständig in Spanien gemacht. Als Webdesigner oder Programmierer will ich mich nicht bezeichnen (, obwohl ich mich bei manchem Komiker frage, wieso der/ sie sich so schimpfen darf).
Als Deutscher selbständig in Spanien ist bestimmt eine feine Sache für Menschen, die vorher schon in keinem Angestelltenverhältnis ihre Brötchen verdient haben, sondern selbständig als Kleinunternehmer waren und vielleicht noch dazu feste Auftraggeber aus Deutschland mitgebracht oder in Spanien gefunden haben. Wieso?
Arbeiten in Spanien vs. Selbständig in Spanien
Als Angestellter, ob in Deutschland oder Spanien….. es ist zunächst einmal nicht der Umstand in Spanien zu leben bzw. zu arbeiten in Spanien. Es ist der Umstand, dass ich bisher immer in einem Angestelltenverhältnis tätig war. Ich konnte auf den Chef schimpfen, wenn er mal wieder eine „saudumme Entscheidung“ getroffen hatte. Ich konnte mal zu spät zur Arbeit kommen oder etwas übernächtig oder manchmal unproduktiv sein und wurde von den Kollegen (ausnahmsweise) mitgetragen. Als Angestellter kamen meine Arbeitsaufträge ganz automatisch zu mir (manchmal mehr als mir lieb waren). Ich musste mir keine Gedanken machen wo ich neue Aufträge her bekomme könnte. Wenn ich nichts zu tun hatte, war schwofen mit den Kollegen angesagt. Nebenbei bemerkt, ich hatte Kollegen, d.h. ich war bei der Lösungsuche bei Schwierigkeiten nicht alleine und konnte mit ihnen auch gut mal Dampf ablassen. Anderseits waren die angesprochenen Vorgesetzten und Kollegen auch oftmals der Grund wieso die Arbeit richtig sch**** war.
„Summa summarum lässt sich sagen, dass ich als Angestellter in Deutschland viel zu arbeiten hatte, aber wenn ich die Tür der Eingangshalle hinter mir geschlossen hatte verbrachte ich selten noch den ganzen Abend damit mich mit dem Job auseinander zu setzen.
Als Selbständiger…
Als Neu-Selbständiger in Spanien muss ich selbst beurteilen wie viele Stunden ich am Tag arbeite und was ich tue. Meist arbeite ich den ganzen Tag und merke erst wenn die Sonne untergeht, dass ich einen sonnigen Tag versäumt habe. Und dann arbeite ich bis in die Nacht um am nächsten Tag etwas Zeit zu haben um Fahrrad zu fahren oder… Es lässt sich sagen, dass Zeitmanagement (hört sich dick an, aber trifft es gut) eine neue Aufgabe neben der eigentlich Arbeit geworden ist. Und hier bin ich auch beim Punkt. Selbständig in Spanien kommt es mir oftmals so vor, als wenn die eigentliche Aufgabe bzw. der eigentliche Auftrag nicht mein eigentliches Betätigungsfeld ist, sondern vielmehr alles davor und danach meine Aufmerksamkeit beansprucht. Das Arbeiten in Spanien im Angestelltenverhältnis würde dies nicht vorsehen denke ich!
Jetzt werden viele sagen: Tim mach halblang, Du lebst in Spanien und kannst Deine Zeit so einteilen, dass Du in deiner Mittagspause mal schnell zwei Stunden am Strand baden kannst und wenn Du arbeitest, kannst Du in der Sonne auf der Terrasse sitzen oder zumindest von Deinem Arbeitsplatz auf das Meer schauen. Du hast es doch gut getroffen!
Ich will nicht abstreiten, dass arbeiten in Spanien und noch dazu selbständig eigentlich ein Traum ist, aber ich musste lernen wie ich damit umgehe (oder besser gesagt es immer noch lerne). Es geht mir in diesem Artikel auch nicht darum zu entscheiden, ob nun der Arbeiten in Spanien oder der Selbständig in Spanein schwerer ist! Ich will nicht sagen, dass Selbständig sein nicht auch viele wirklich schöne Seiten hat. Nein, selbständig arbeiten ist, wenn man genügend lukrative Aufträge hat eine feine Sache (was i.d.R. wenn überhaupt erst nach Jahren der Fall ist). Ich will nur allen Auswanderwilligen sagen, dass wenn Sie aus einer Anstellung kommen, nicht Spanien die erste Hürde darstellt sondern die eigene fehlende Erfahrung mit der Selbständigkeit!
Weitere Eindrücke zum Selbständig in Spanien:
Ich bewerte meine Arbeit / mein Produkt selbst. Ich entscheide mich ob Urlaub oder neuer Auftrag. Ich entscheide, ob ich diese oder jene Investition (bsp. der Kauf von Hardware) notwendig und möglich ist…
Und ich habe ganz viele kleine tägliche Fragen, die hoffentlich mit der Zeit/ mit mehr Erfahrung immer einfacher werden zu beantworten (Liste ohne Anspruch auf Vollständigkeit oder Struktur):
„Mache ich gerade das Richtige oder ist das alles Unsinn?“;
„War die Entscheidung richtig oder kriege ich damit am Ende richtig Probleme?“;
„Eigentlich müsste ich jetzt weg, aber andererseits muss das fertig werden, da ich noch dringend…“;
„Wie läuft das nun mit den Steuern und was muss ich hierbei wieder beachten?“;
„Was muss ich eigentlich berechnen bzw. was kann ich eigentlich dafür berechnen und macht der Auftrag dann überhaupt noch Sinn?“;
„Ich brauche viel zu viel Zeit dafür. Wie soll ich meine To-Do-Liste allein für heute noch fertig kriegen, wenn ich noch ständig durch mein „Privatleben“ abgelenkt werde?“;
„Wie soll ich mich entscheiden? Wenn ich Projekt A jetzt anfange, dann nimmt das wahrscheinlich meine ganze Zeit in Anspruch und Projekt B, C, D, E und F liegen brach. Aber bringt Projekt A auch den Ertrag bzw. wann…“;
…
Selbständig arbeiten in Spanien
Wer sich mit dem Bedanken trägt sich selbständig in Spanien zu arbeiten, sollte Land und Leute etwas kennen. Ich bin ja erst am Anfang (ein Grünschnabel), aber ich kann bisher sagen, dass es hier eher ein Kungeln und Feilschen bei der Auftragsuche (im Vergleich zu Deutschland) ist als sachliche Verhandlungen und dass Mundpropaganda einem mehr Aufträge bringt als eine Webseite oder Zeitungsanzeige. Einige werden sagen, dass das in Deutschland doch genau so ist. Da kann ich nur sagen: Nein es ist nicht genauso :-)
Überhaupt scheint es so, dass Spanier lieber zu ihrer Hausbank persönlich gehen als per Onlinebanking ihre Geschäfte schnell und effizient zu erledigen und dass genauso auch die meisten Webseiten von Unternehmen aussehen. Mein Lieblingsbeispiel ist hier meine Krankenkasse IMQ.ES:
Jetzt werden Sie sagen, na und? Als Autobauer in Spanien würde Sie es auch interessieren was ihre Kunden haben wollen bzw. wie viel Wert Sie dem Auto beimessen. Als „Webseitenhersteller“ interessiert mich der Anspruch der Unternehmen an Ihre Internetpräsenz. Und glauben Sie nicht die Krankenkassen IMQ würde kein Geld haben. Wenn Sie in deren Räumen sind fühlt man sich, bei all dem Marmor, Glas, Silber und Gold als wenn man in Berlin unter den Linden bei Daimler Benz in den Ausstellungsfläche oder in der Friedrichstrasse im Lafayette ist. Die haben Geld, aber scheinbar kein Interesse an einer zeitgemässen Webseite noch an Suchmaschinenoptimierung… Die wirklich großen Unternehmen wie die Telefonica (gröÃßtes Unternehmen Spaniens) oder die Banken haben aktuelle Webpräsenzen, aber der Rest ist veraltet bis unterirdisch / nicht nutzbar/ nicht aktuell.
Ich drücke es anders aus. Ich kriege in Spanien das Gefühl nicht los, dass ich wahrscheinlich an einem Abend in einer Bar durch Gespräche und einem positiven Kunden mehr Neuaufträge machen ließen als mit 2.000 € Werbeetat für Zeitungswerbung. Und hier bin ich bei einem weiteren wichtigen Punkt, der Landessprache. Selbständig in Spanien ohne bzw. mit geringen Spanischkenntnise ist unmöglich! Aber ich denke das ist selbstredend.
Die bürokratische Seite der Selbständigkeit in Spanien ist meines Erachtens hier einfacher als in Deutschland (es lässt sich auch weit weniger absetzen), aber dazu in einem gesonderten Artikel mehr.
So aber jetzt genug von mir. Wenn ihr diesen Artikel lest und eigene Erfahrungen beisteuern könnt/ wollt, dann würde ich mich über ein paar Gedanken als Kommentar freuen, vor allem wenn jemand berichten kann über Arbeiten in Spanien als Angestellter…